Götterdämmerung: der IHF-Pharao hat einen präsidialen Herausforderer
Neigt sich die Ära von Hassan Moustafa als Präsident der International Handball Federation (IHF) nach einem Vierteljahrhundert ihrem Ende entgegen? Heute nominierte der größte nationale Verband einen Gegenkandidaten: Gerd Butzeck. Bei der Wahl kurz vor Weihnachten hat Moustafa allerdings Heimrecht.

Zuletzt habe ich vor ein paar Monaten in Cascais ein paar Worte mit Hassan Moustafa gewechselt. Wir plaudern eigentlich immer ein bisschen. Bei ihm weiß man allerdings nie. Manchmal schreit er mich an ("Mund zu!"), manchmal flüchtet er. Zunehmend hatte ich den Eindruck, er bekomme nicht mehr richtig mit, mit wem er es zu tun hat. In Portugal habe ich höflich gefragt, wie es ihm gehe und was die Gesundheit mache. Als ich mich dann erkundigte, wie viele Jahrzehnte er noch an der IHF-Spitze auszuharren gedenke, schlurfte er wortlos davon.
Es sind, bisher, 25 Jahre.
Altersgrenzen und Amtszeitbeschränkungen, all diesen neumodischen Quatsch, gibt es in der IHF nicht. Man nennt Hassan Moustafa aus guten Gründen den Pharao. Im Juli wird er 81 Jahre alt, und obwohl das Alter ihm zu schaffen macht und seine Schläferchen und geistigen Aussetzer legendär sind, will Hassan Moustafa im Dezember beim Wahlkongress noch einmal antreten.
Der Luxemburger Jeannot Kaiser hat einmal den schönen aber wenig schmeichelhaften Satz über den IHF-Supremo formuliert:
"Hassan Moustafa kann das Wort Demokratie nicht mal schreiben."
Kaiser hatte im Jahr 2009 versucht, gegen den Ägypter aufzubegehren – und kandidierte für die IHF-Präsidentschaft. Natürlich vergebens. Kaiser verlor anschließend die Wahl in Kairo, wo Moustafa ein Heimspiel hatte, unter reichlich dubiosen Umständen.
2009 war übrigens das turbulente Jahr, als Gerd Butzeck im Vorfeld der IHF-Wahl diesen schönen aber wenig schmeichelhaften Satz über Moustafa formulierte:
"Mit so einem Menschen an der Spitze dürfen wir uns nicht wundern, wenn im Handball jetzt ständig die Rede von Korruption und Bestechung ist."
Im Grunde hat sich an der Korrektheit dieser Analyse nicht so wahnsinnig viel geändert. Interessant und brisant wird es aber, weil dieser Gerd Butzeck (66) sich nun anschickt, die präsidiale Ära von Hassan Moustafa (wird im Juli 81) zu beenden.
Der Deutsche Handballbund (DHB) hat Butzeck heute auf der Präsidiumssitzung in Berlin als Kandidaten für die IHF-Präsidentschaft nominiert.
Weil es so selten ist, weil Hassan Moustafa sich bislang nur zweimal mit einem Herausforderer auseinandersetzen musste, ausnahmsweise die komplette Mitteilung des DHB:
DHB nominiert Gerd Butzeck zur Wahl als IHF-Präsident
05.04.2025 | Kandidat beim Ende Dezember in Kairo stattfindenden Kongress
Gerd Butzeck soll beim 40. Ordentlichen Kongress der Internationalen Handball-Föderation für das Amt des Präsidenten kandidieren. Das Präsidium des Deutschen Handballbundes beschloss bei seiner Sitzung an diesem Samstag in Berlin, den 66-jährigen Butzeck als Kandidat für die Wahl zum Präsidenten des Weltverbands vorzuschlagen. Der IHF-Kongress findet vom 19. bis zum 22. Dezember in Kairo statt. Formal gemeldet werden müssen Kandidaten bis zum 21. September.
„Gerd Butzeck ist einer der erfahrensten und profiliertesten Handball-Funktionäre – global vernetzt und mit Einblicken in unseren Sport von der Basis bis zum absoluten Top-Level. Er besitzt die notwendige Gestaltungskraft für die weitere Professionalisierung des Handballsports“, sagt Andreas Michelmann, Präsident des Deutschen Handballbundes. „Wir möchten mit diesem Vorschlag der internationalen Handball-Familie eine Option anbieten, so die globale Zukunft des Handballs mitgestalten zu können. Zugleich sind wir Dr. Hassan Moustafa dankbar für alles, was er bisher für den Handball getan hat.“
Sportpolitische Erfahrungen sammelte Butzeck von 1992 bis 2002 als Vizepräsident des weißrussischen Verbandes sowie von 1993 bis 2006 als Mitglied verschiedenster Arbeitsgruppen in EHF und IHF. Von 2017 bis 2021 gehörte er der EHF-Exekutive an und war Vorsitzender des Professional Handball Board der EHF. Seit 2006 ist er Geschäftsführer der Group Club Handball und des Forum Club Handball, der Interessenvertretung der internationalen Spitzenvereine.
Butzeck hat im Handball in verschiedensten Funktionen Spuren hinterlassen: So war er beim TSV Milbertshofen einer der ersten professionellen Handball-Manager, zudem managte er die sowjetische Nationalmannschaft. Für den europäischen Verband EHF war Butzeck Delegierter in der Halle und auf Sand. Mehr als drei Jahrzehnte spielte er selbst in Solingen Handball und engagierte sich auch als Trainer; als Schiedsrichter schaffte er es bis in die Bundesliga, wo er 1986 jüngster deutscher Spitzenreferee war.
Der in Wuppertal lebende Butzeck ist studierter Lehrer für Mathematik, Russisch und Pädagogik. Von 1989 bis 2006 war er Geschäftsführer der Allstars Sports Promotions GmbH, die sich um Spielervermittlung, TV-Rechte und Vermittlung von Werbepartnern kümmerte. Seit 2013 fungiert er als Aufsichtsrat der EHF Marketing GmbH.

Deutschland hat unter den olympischen Fachverbänden (IF) derzeit nur im Kanu (ICF) einen Präsidenten: Thomas Konietzko.
In den vergangenen Jahren haben die deutschen Präsidenten Josef Fendt (FIL), Thomas Weikert (ITTF) und Klaus Schormann (UIPM) aus unterschiedlichen Gründen ihre Ämter abgegeben.
Gerd Butzeck ist im Handball so gut vernetzt wie nur wenige. Andererseits ist es auch so: Die Handballfamilie, von der Hassan Moustafa stets spricht, ist eine überschaubare Familie.
Als Geschäftsführer der Group Club Handball und des Forum Club Handball ist Butzeck eine Art Nasser Al-Khelaifi des Handballs – nur steht ihm, anders als dem katarischen Strippenzieher, keine milliardenschwere Kriegskasse zur Verfügung.
Gerd Butzeck hat über die Jahrzehnte rund 350 Spieler vermittelt. Zu seinen Klienten zählten Ikonen des Sports wie die Welthandballer Henning Fritz und Talant Dujshebaev, auch Dänemarks Nationaltrainer Nikolaj Bredahl Jacobsen, der mit seinem Team viermal Weltmeister und 2024 Olympiasieger wurde.
Man könnte Butzeck als Kandidat des Elite-Handballs bezeichnen, auch wenn es tatsächlich etwas komplizierter ist. Auf IHF-Kongressen aber hat jedes Mitgliedsnation eine Stimme. Diese Scheindemokratie ist ein Problem, wie in vielen anderen Weltverbänden.