Wie das IOC Journalisten aussperrt
Über den ersten Tag der IOC-Session in Paris und die immer weiter eingeschränkten Arbeitsbedingungen von Journalisten im IOC-Umfeld.
NEUILLY-SUR-SEINE. Live von der 142. IOC-Session, bei der Journalisten natürlich keinen Zugang haben. Also besser: fast live. Ich zähle zu den knapp 200 Unentwegten, die weltweit auf Youtube die Session verfolgen – das müssen die Trilliarden Olympiafans sein mit ihren Fantastilliarden Socialcontactsengagements, über die auf der Session gerade wieder fabuliert wurde.
Bevor ich also u.a. zu den Fragen komme, was der Abgang von Joe Biden für das IOC, die Spiele 2028 und 2034 und möglicherweise für die IOC-Präsidentschaft bedeutet und wie das IOC seine Vollversammlung begeht (das wird ein zweiter Artikel heute Abend), erlauben Sie mir einige Anmerkungen zu den journalistischen Arbeitsbedingungen im olympischen sportpolitischen Umfeld. Es drängt.
1 - Diese Art Live-Berichte wie jetzt von der IOC-Session werden also so präsentiert: Leser, die sich für den Newsletter eingetragen haben, erhalten künftig morgens gegen 10 Uhr (also vier Stunden früher als heute) einen Anreißer – den vollen Artikel, der im Laufe des Tages wächst und ergänzt wird (das kann auch mal nur eine Art Blog sein, der bis spät in die Nacht geführt und mit lesenswerten Fundstücken auch aus anderen Medien ergänzt wird) gibt es aber nur auf der Webseite. Einige dieser Artikel stehen hinter der Paywall. Wer vollen Zugang möchte, sollte das Paris-Ticket für symbolische 20,24€ kaufen (Direktbuchung) oder gleich eines der Abonnements für Privatpersonen oder Firmen/Verbände/Institutionen buchen.
2 - Ich erhalte schon zahlreiche Hinweise von aufmerksamen Lesern, alten Informanten und neuen Quellen. Weiter so! Sie können das gern auf WhatsApp (+491723006830) machen, auf etwas sichereren Kanälen (jetzt bitte nicht über sicherer diskutieren, ein andermal) wie Signal oder Threema (3PFAF2BY), via Protonmail, Sie entscheiden. Hier nochmal gebündelt einige Kontaktmöglichkeiten.
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Die Berichterstattung kann nur besser werden durch Ihre Hinweise, Ihr Wissen, Ihre Ideen, Ihre Dokumente. Immer her damit!
3 - Wenn Sie Fragen und Anregungen haben, Themenideen – nur los. Ebenfalls her damit. Das können kleine und große Sachen sein - wird alles ernsthaft behandelt. Im Newsletter lässt sich leicht eine Rubrik einrichten. Ask me anything – ich versuche zu antworten.
Note to the many English-speaking readers in the IOC and elsewhere out there:
4 - Please make sure you subscribe to THE INQUISITOR newsletter. The basic version is freely accessible, in Paris there will be a paywall, of course. We are working on several stories. Next one on the IOC session coming tonight, another one on China tomorrow. You can book a Paris ticket from THE INQUISITOR (for individuals only) or a subscription (for both individuals and companies/organisations) to finance investigative journalism and the Paris adventure.
Langjährige Leser wissen, dass ich aus tausend Gründen der Meinung bin, das eine sei vom anderen nicht zu trennen: Man kann nicht nur so über das IOC und die gigantische Propaganda berichten. Es ist nötig, die Bedingungen zu skizzieren, unter denen Journalismus abläuft wird in diesem sportpolitischen Metier. Denn diese Bedingungen erklären recht viel. Das ist kein Jammern, das sind Fakten und Skizzen, die bei der Beurteilung helfen. Das werde ich immer so handhaben, mitunter muss man sogar etwas lauter werden:
In Paris entwickelt es sich weiter zum Schlechten.
Darüber kann auch der Besuch von Journalisten gestern bei Emmanuel Macron im Élysée Palace nicht hinweg täuschen. Es war ein wunderbarer Termin für Reportagen. Konnte mich dafür nicht eintragen, weil ich am Montag noch auf der Reise war.
Die Bewegungsfreiheit von Journalisten bei IOC-Vollversammlungen wurde unter Präsident Thomas Bach rigoros eingeschränkt. Erinnern wir uns: Seit 1999, seit der aus der existenzbedrohenden Bestechungskrise hervorgegangenen Reform, dürfen Journalisten die Sessionen wenigstens am Bildschirm im Pressezentrum verfolgen. (Ich rede nicht über die Jahrzehnte zuvor, als es noch weniger Reporter gab, die sich dafür interessierten und von denen einige mitunter mit ihren IOC-Kumpels im Saal saßen oder sogar Funktionen wahrnahmen bei Sessionen.) Auf Youtube werden die Sitzungen seit etlichen Jahren übertragen.
Seit Bach Präsident ist, kann man sich aber peu à peu weniger frei bewegen, im Grunde gar nicht mehr. Ich erinnere mich durchaus mit Unbehagen an die Session 2015 in Kuala Lumpur (als Peking in einem dubiosen elektronischen Verfahren zur Olympiastadt 2022 gemacht wurde) und rigoros eine sogenannte Mixed Zone eingerichtet wurde, ein paar Meter hinter einer Absperrung, wo Journalisten vorbei schlendernde IOC-Mitglieder ansprechen durften. Aber in KL gab es auf dem Weg zum IOC-Hotel Mandarin Oriental noch tausend Gelegenheiten, die höchsten Sportfunktionäre des Planeten, darunter etliche Weltverbandschefs, NOK-Präsidenten, Milliardäre und Fürsten, zu kontaktieren. Vor allem war das Mandarin Oriental war in weiten Teilen frei zugänglich.
Derlei Freiheiten wurden seither weiter abgebaut.
In Paris haben die IOC-Propagandisten - verantwortliche Direktoren sind Mark Adams (minimum $2.425.208 salary in the current Olympic cycle) und Christian Klaue (minimum $2.352.296 salary) - nun mit der Tradition gebrochen, sportpolitischen Intensiv-Berichterstattern Zugang zum Olympic Family Hotel (OFH) zu gewähren. Derlei gesonderte Akkreditierungen waren unter Bachs Vorgänger Jacques Rogge eingeführt worden. Es gibt ja nur einige Dutzend Journalisten weltweit (eher weniger), die sich wirklich intensiv mit der olympischen Familie und dem IOC beschäftigen. Es war also wenigstens möglich, in den Lobbies und Cafés der IOC-Hotels zu lauern, sich zu verabreden, zu beobachten, zu reden.
Ich habe die Restriktionen unlängst in einem Twitter-Thread skizziert:
Mag sein, wie ich schon in den vergangenen Jahren hörte, dass IOC-freundliche Berichterstatter (oder besser: IOC-Lakaien) doch Zugang erhalten. Manchmal. Vielleicht öfter. Konnte ich bislang nicht verlässlich überprüfen. Ein Grund für die Verweigerung der OFH-Akkreditierungen ist natürlich in jenem legendären Ereignis vom August 2016 im Windsor Marapendi zu Barra zu sehen, als die IOC-Größe Patrick Hickey in seinem Hotelzimmer verhaftet wurde und brasilianische Reporter wie Jamil Chade einigermaßen live dabei waren.
Es wurde immer strenger. Immer regulierter. (Und da rede ich nicht mal von den internen Informationen und Warnungen, mit diesem oder jenem nicht zu sprechen.) Journalisten werden beobachtet und behindert. Es wurde mit Akkreditierungs-Entzug gedroht. Alles erlebt, immer höchst dubios. In PyeongChang 2018 aber war es im IOC Hotel noch möglich, Wladimir Putins Abgesandten Igor Levitin aufzulauern, vor und nach seinen Gesprächen mit Bach & Co. zu beobachten, ein paar Worte zu wechseln – nichts Weltbewegendes, aber doch so halbwegs spannendes Zeug, journalistisches Alltagsgeschäft.