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Krieg und Spiele

Über eine herausragende Dokumentation von Robert Kempe und Tom Klees, über SPORT & POLITICS in/aus Paris – und sonst noch ein paar Themen und Texte, die Sie nicht verpassen sollten.

Krieg und Spiele
Kiew. (Screenshot ARD)

Mist, ich bin doch nicht die ARD-Pressestelle! Zähle auch nicht zu den zahlreichen Journalisten, die bei irgendwelchen TV-Produktionen regelmäßig instrumentalisiert werden und euphorische Rezensionen schreiben (einer der verachtenswerten Mechanismen im real existierenden Journalismus). Nee, mich muss man anders kriegen und überzeugen. Also, relativ euphorisch:

Die Doku "Krieg und Spiele" von Robert Kempe und Tom Klees ist das beste Stück, das ich im Sportfernsehen seit vielen Jahren gesehen habe. Es ist ein must see. Schaut Euch das am besten gleich nach dieser Lektüre an, bevor es in Paris richtig losgeht und die Doku ungesehen auf der Watchlist versauert.

Ich will mein Urteil gern begründen. Zuvor aber noch ein kleines Inhaltsverzeichnis, worum es in diesem Paris-Newsletter geht:

  1. "Krieg und Spiele" und einige der üblichen Betrachtungen zum sportpolitischen Journalismus
  2. Housekeeping: SPORT & POLITICS in Paris. Was ist zu erwarten. Wie viel kostet das Paris-Ticket?
  3. Einige Lese-Empfehlungen, u.a. aus THE INQUISITOR und State Of Swimming.
🇬🇧
Note to the many English-speaking readers in the IOC and elsewhere out there

The first complaints came in after Newsletter 2 as to why there was only a German but no English article. Three answers, as already announced in Paris Newsletter 1:

1 - There will be almost exclusively German articles here until mid-August. I will endeavour to offer an English version here and there as good as I can.

2 - Please make sure you subscribe to THE INQUISITOR newsletter - you will be well served in English and sometimes even in other languages. The basic version is freely accessible, in Paris there will of course be a few things behind the paywall. You can book a Paris ticket from THE INQUISITOR (for individuals only) or a subscription (for both individuals and companies/organisations) to finance investigative journalism and the Paris adventure.

3 - What do you get in return, permanently?

Articles, analyses, background information, research, documents, sometimes exclusives from someone who the former IOC president Jacques Rogge described as "the best documented Olympic journalist".

I continue to make every effort.

Merci beaucoup!

"Krieg und Spiele"

Kempe und Klees waren (die Aufzählung ist nicht vollständig) für die Doku in Afghanistan, Moskau, Kiew, Israel, Kasan, Ramallah, Lausanne und sonstwo – aber während andere Dokus gern damit hausieren gehen, wie toll die Presenter auf Recherche sind und was sie alles gesehen haben und keine Kosten und Mühen scheuen, spielt das in diesem Film keine Rolle, der übrigens viel mehr als 46:11 Minuten verdient hat. Es ist ein stiller Film, mit beeindruckenden Bildern und Zitaten. Die Macher halten sich dezent zurück, mag sein, dass mal einer im Bild auftauchte, aber das war ihnen unwichtig, und das ist gut so. Sie halten sich mit Kommentaren zurück, und das ist bei diesem Thema sogar noch besser als gut.

Es geht also um den sogenannten Olympischen Frieden (Olympic Truce) des IOC, Paris wird ja als einziges Friedensfest inszeniert, es geht um die IOC-Postulate (ja, Thomas Bach taucht oft auf mit Bruchstücken aus seinen Sonntagsreden) und es wird elegant klargemacht, dass die Chefs des Olympiakonzerns nicht allzu viel Energie verschwendeten, mit Betroffenen Kontakt zu halten, um es vorsichtig zu formulieren. Es gab den einen oder anderen Besuch (Bach in Kiew beispielsweise) und es floss ein bisschen Geld, das war es dann. Es wird keine Kolossalkritik an Bach/IOC geübt (und das vermeintlich investigative Hörmann-Zeug zu Bach und Putin, das anderswo als Enthüllung verkauft wird, taucht zurecht gar nicht auf), das läuft alles elegant nebenher und sollte sich sogar dem Betrachter leicht erschließen, dem viele Hintergründe fehlen, der nicht so im Thema ist.

Die Aussagen sind zumeist atemraubend und lassen einen sprachlos zurück. Es wird (einmal mehr) klar, dass es im Sport zwischen der Ukraine und Russland und Israel und Palästina auf Jahre hinaus keinen wirklichen Frieden geben kann. Zu groß ist das Leid. Zu politisch extrem sind die Standpunkte, ja, hier besonders auf zwei Seiten.

Schon die Einstiegssequenz ist stark. Training von Sportgymnastinnen in Kiew. In den üblichen Presenter-Reportagen würde sich jemand vor die Kamera drängen und raunen: Wir sind hier in Kiew und es wird gefährlich, schon hören sie das Alarmzeichen, es geht jetzt in den Luftschutzkeller ...

Kempe und Klees aber lassen es laufen. Dadurch wird man sofort von der Atmosphäre gefangen.

Dann erzählt die ukrainische olympische Sportgymnastin, dass Papa sich schon drei Tage nicht gemeldet hat und sie sich Sorgen macht.

"Die Angst ist so zerstörerisch", sagt Mariia Vysochanska.

Da braucht man die erste kleine Pause.

Wenn ich es richtig verstanden habe, sagt sie später noch, Sport könne dazu beitragen, dass die Ukraine weiter existiere.

Nein, kleiner geht es nicht. Und wer, wenn nicht eine Betroffene hat das Recht, solche Sätze zu sagen.

Olympia 2024 - die Hintergründe: Krieg und Spiele - hier anschauen
Die Olympischen Spiele als Fest des Friedens und der Völkerverständigung – diese Erzählung bemüht das IOC auch vor den Spielen in Paris. Die Realität sieht anders aus: Kriege und Konflikte dominieren das Weltgeschehen und haben auch erheblichen Einfluss auf den Sport. Dieser Film liefert Eindrücke aus Krisengebieten dieser Welt. Orte, an denen das Narrativ der verbindenden Kraft des Sports ad absurdum geführt wird: Eindrücke aus der Ukraine, wo sich Sportlerinnen unter Raketenbeschuss auf die Olympischen Spiele vorbereiten. Aus Afghanistan, wo Sport für Frauen den Tod bedeuten kann. Aus Israel und Palästina, wo insbesondere seit dem 7. Oktober der Sport vollständig vom Krieg überlagert wird.

Es ist ein Wahnsinn, und ich schneide gleich mal jemanden dagegen, der im Film erst viel später auftaucht und in seinem Büro in Moskau sitzt, wo er unter anderem ein großes Porträt von Josef Wissarionowitsch Stalin an der Wand hängen hat: Michail Mamiaschwili, Präsident des russischen Ringerverbandes, lange Zeit Vizepräsident des Weltverbandes UWW und früher eine Autorität (Авторитет) des Organisierten Verbrechens, bevor er ein seriöser Geschäftsmann wurde, wie so viele im russischen Sport aus Mischas Generation. (Er ist ein Stammgast in diesem Theater, tauchen Sie ruhig mal ein in das Thema, in diesem Text beispielsweise, den ich vor einem Jahrzehnt gebastelt habe, als historische Übersicht noch immer top.)

Kempe und Klees überfrachten den Film nicht. Die Bilder sind Klasse und die Aussagen sowieso. Ja, ich weiß, Journalisten suchen immer nur die knackigen Quotes, die sich in 20 Sekunden pressen lassen. Hier hat man aber nie das Gefühl wie in Nachrichtensendungen, alles sei (und ist es tatsächlich) nur Effekthascherei. Hier wird das Atmen und die Suche nach den richtigen Worten gezeigt. So werden Kopf- und Bauchkino angeworfen.

Sogar der höchste Sportfunktionär der Taliban kommt zu Wort, Ahmadullah Wasiq. "Sport spielt eine Schlüsselrolle in der weltweiten Politik", erklärt der Unhold. Das hat er schon begriffen. Dann teilt er mit: "Es gibt im Moment in Afghanistan keinen Frauensport." Ende der Durchsage.

Der palästinensische Olympiaboxer Wasim Abusal sagt:

"Je intensiver der Krieg wird, desto entschlossener werde ich. Ein Palästinenser kapituliert nicht. Einige Sportler haben schon den Märtyrerstatus."

Die NOK-Präsidenten von Israel (Yael Arad, IOC-Mitglied) und Palästina (Dschibril Ar-Radschub) tauchen ebenfalls in der Doku auf. Besonders Arad sieht man das Leid an, wobei Ar-Radschub, tut mir leid, das zu sagen, nur wie ein aufgeblasener Bonze wirkt. Don't mix sport & politics, Sie wissen schon: Ar-Radschub ist hauptberuflich Generalsekretär der Fatah, er ist auch Chef des sehr umtriebigen Fußballverbandes.

Ar-Radschub hat vor einigen Jahren mal zu einer Petition für eine Schweigeminute zum Gedenken der israelischen Opfer des Attentats bei den Sommerspielen 1972 in München mal gesagt:

"Wir haben keine Atombombe, aber ich schwöre, wenn wir eine Atombombe hätten, hätten wir sie diesen Morgen benutzt."

Kempe und Klees kommen ohne derlei Archivschnipsel aus. Sie lassen reden, sie zeigen und überfrachten das Ganze nicht. Und gegen Ende glaubt man sogar, dass jetzt die fürchterliche Irina Viner (ehemals Usmanowa) und Putins Gespielin Alina Kabajewa reden. Man traut Kempe, der oft in Russland war (und in der Ukraine in den Wirren des Krieges) schließlich auch das zu.

Aber es bleibt bei den Nahaufnahmen während Putins BRICS Games in Kasan. Und das ist keine Kleinigkeit, denn andere TV-Macher hätten kommentiert und/oder eine Sequenz dazu angefügt, dass man top-investigativ alles versucht habe, Viner und Kabajewa aber nicht reden wollten.

Ich weiß, es ist unfair, Dokus miteinander zu vergleichen. So wie es im Übrigen unfair ist, wenn Print- und Onlinemedien meist nur über die seltenen TV-Dokus berichten, statt selbst konsequent und vor allem dauerhaft derlei Themen zu bearbeiten.

Man kann das alles kaum miteinander vergleichen, zu unterschiedlich sind die Budgets und sonstige Produktionsbedingungen. "Krieg und Spiele" enthüllt nichts, aber es zeigt eine Menge. Auf all den üblichen Fernsehkram (wichtig, gefährlich, neu, exklusiv, wir recherchieren, wir werden abgeblockt, Skandal …) verzichten Kempe und Klees völlig.

Das ist ziemlich großartig.


SPORT & POLITICS in und aus Paris

Some housekeeping: Geht schnell, Inhalte wie oben sind wichtiger, wir sind also längst tief in der Olympia-Thematik. Also zack-zack, stichwortartig:

  • Bis Mitte August wird hier täglich über und aus Paris berichtet. Einige Texte und Hinweise gab es schon.
  • An manchen Tagen wird es mehrere Artikel geben.
  • Es wird in jedem Fall ab Dienstag mit dem Auftakt der IOC-Session einen täglichen Beitrag (früher hätte man Blog gesagt) geben, in dem die Aufregungen des Tages gesammelt und von morgens bis abends aktualisiert werden.
  • Sie dürfen einiges erwarten, wie immer inklusive Daten und Grafiken und so Zeug, was es sonst nirgendwo gibt.
  • Nicht alles landet in Ihrer Mailbox, nicht alles wird als Newsletter verschickt, sonst geht Ihnen das noch auf den Geist und Sie melden sich ab, weil es zu viele Emails gibt.
  • Mindestens ein täglicher Newsletter (ausgeliefert als Email) wird auf andere Texte aus SPORT & POLITICS verweisen – und Ihnen über THE INQUISITOR hinaus zahlreiche Lese-Empfehlungen aus anderen Publikationen geben, vor allem aber: eigene Betrachtungen, Analysen, Hintergründe, olympische Bildung, wie immer.
  • Wenn alles gut geht, gibt es einige Überraschungen in diesem Theater. Diesmal verspreche ich aber nichts und halte mich mit Details und Ankündigungen zurück, denn Stammgäste wissen, dass ich leider schon oft zu viel versprochen habe – daraus gilt es zu lernen, auch wenn's schwierig ist.

Meine Bitte:

  1. Kaufen Sie das Paris-Ticket für preisgünstig symbolische 20,24€.
  2. Verbreiten Sie diese Email (und/oder Tweets) weiter, wenn Sie glauben, dass das Projekt etwas taugt, und sorgen Sie also dafür, dass sich mehr Leute für SPORT & POLITICS eintragen …
  3. … es gibt ja freie Texte, aus Paris wird vieles aber hinter der Paywall stehen, das muss ich bestimmt nicht mehr begründen.
  4. Am besten buchen Sie vielleicht sogar ein Abonnement, oder Sie lassen sich innerhalb des nächsten Monats von einem Abo überzeugen.

Die einfachste Variante zur Direktbuchung des Paris-Tickets, gilt exactly 4 Wochen, verlängert sich nicht:

Der Link zur Eintragung in den Newsletter und zur Buchung verschiedener Abo-Pakete für Personen, Firmen und Organisationen:

Danke!

Und klar, ich werde in den nächsten Tagen weiter dafür werben müssen. Am besten aber mit Inhalten.

Barcelona 1992, Paris 2024 und der ewige Dopingschatten
Über olympische Konstanten, historische Wahrheiten, Langzeit-Recherchen, plaudernde Meister-Doper, Fabel-Leistungen, eine Omertà auf allen Ebenen, Propaganda und die Macht der vom IOC produzierten TV-Bilder.

Mit den Sommerspielen 2008 in Peking hatte mein Bloggerdasein übrigens so richtig begonnen und eine schöne Tradition begründet auf jensweinreich.de. Was haben wir diskutiert! Es war was Neues. Ja, Blogger hat man damals noch gesagt. Für meine Art des sportpolitischen Bloggens – oft genug live, mitunter gab es sogar live-Recherchen – habe ich seinerzeit ein paar Orden erhalten.

Diese feine Tradition des täglichen Olympiaschreibens ist mir wichtig. Es kann auch in Paris sein, wie manchmal zuvor auf anderen Kontinenten, dass die Kraft mal nicht reicht, man wird ja nicht jünger und Durchhänger hatte ich bei Olympia immer mal, bleibt nicht aus. Aber es hat extrem viel Spaß gemacht in den vergangenen Jahrzehnten, aus Peking, London, Vancouver, Durban, Denver, Tokio, Rio und Timbuktu (benutzt doch bitte die Suchfunktion für die ollen Kamellen) … und ich bin gerade so drauf, dass ich sage:

Es wird auch in den nächsten Tagen und Wochen ganz erbaulich sein.

Einige Male haben mir die Leser den Großteil der Olympiareisen finanziert. Alles ganz fantastisch. Heutzutage kommentieren aber nicht mehr Hunderte (die Kommentarspalte war mir stets wichtig) wie damals, bevor FacebooktwitterX und Konsorten alles abgesaugt haben. Bis 2023 habe ich nebenan veröffentlicht, dort finden sich hunderte Beiträge von früheren Olympischen Spielen unter den insgesamt mehr als 1.500 Texten. In Tokio 2021 habe ich die Newsletter-Tools Revue (inzwischen von Elon eingestellt) und Mailchimp verwendet. Seit 2023 nutze ich das Ghost-CMS für SPORT & POLITICS und THE INQUISITOR, das klappt hervorragend, kann zwar nicht alles, was das fette WordPress mit seinen Trilliarden Plugins kann, ist dafür aber schnell und flüssig, dünn und zuverlässig – mehr braucht es nicht. Alte Regel aus den Blog-Anfängertagen, endlich konsequent beherzigt: Usability first!

Lasst uns gemeinsam Spaß haben bis Mitte August und etwas lernen, dümmer werden wir gewiss nicht.

Und zum heutigen Abschluss gleich noch einige Lese-Empfehlungen, genug geschrieben für den Moment.

Bleiben Sie neugierig!

Welcome to the French Olympic tax haven!
Behind the massive IOC propaganda, the Paris Olympic Games are based on France’s extreme submission to the Gods of Olympism. Tax gifts, labour law, princely treatment, everything has been done to convince and seduce Bach and his supporters. A boon for the IOC.
Protecting the Games: France’s sport as a giant Potemkin village
France is not only shaken by political turmoil, the far-right RN could take power even before the Olympic Games in Paris. French sport is characterised by mismanagement and scandals almost everywhere. One of many pressing questions: Where did the audit of French fencing go?
Broken promises
Days before the Paris Olympics, the usual problems are raising concerns. Budget overruns, security, outdated facilities, and transportation chaos. These issues bring to mind the campaign promises never kept by a government that has decided to shut the lid on all sporting mishaps before the Games.
Ask me no questions and I’ll tell you no lies…
A further analysis of the controversial Cottier report on suspected Chinese mass doping reveals hair-raising flaws and glaring inconsistencies in the procedure by WADA.
On the road to Paris 2024: “omerta at all levels”, a “rape culture” and “systemic dysfunctions” in sport
France’s sport has received an increase in funding for Paris 2024. President Macron wants more medals. France also receives the 2030 Winter Games. The other side of the coin: the sports system is dominated by scandals and mismanagement at all levels, as a breathtaking investigation report documents.
Not All 23-Go-Free Chinese Swimmers Stayed At Hotel Contamination, New ARD Evidence Suggests
The latest twist in the TMZ saga calls into question the official version of events from China that Wada and World Aquatics to agree with Chinada’s “no fault” decision - on several key points
Anti-Doping Schism & States Of Independence
World Aquatics, which back in 2021 lodged a “protective statement of appeal” at CAS before the Tokyo Olympics but let it go after talking to Wada, has published the Anti-Doping Audit Review Committee report. Our analysis:
Meet The Late Taffy Cameron, A Forensic Pathologist With A Legacy That Begs The Question: Has Wada Lost Its Teeth Along With Trust?
As Wada welcomes the interim report of the investigator it appointed to answer two questions on 23 Chinese positives, it seems the global guardians of clean sport are in desperate need of reminding themselves of the work of Prof. Malcolm Cameron
“Until all related documents are made public, trust in the system will not be regained”
Global Athlete & FairSport call for full transparency on China cases & note: ”... report does not provide sufficient evidence to support Cottier’s findings and conclusions nor does it explain why the athletes were not provisionally suspended with mandatory public disclosure

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