>

</head>
<body class=

Münchhausen-Test (1): die Falschaussagen von Michael Scharf und die Interessen von Micky Michael Mronz

Ob Olympiabewerbung oder Leistungssportförderung - deutsche Sportfunktionäre und Politiker überbieten sich nahezu flächendeckend mit Wahrheitsbeugungen. Manchmal aus Unkenntnis, oft aus Berechnung. Um Propaganda einzuordnen und richtig zu stellen, gibt es ab sofort Faktenchecks: kurz und schmerzlos.

Münchhausen-Test (1): die Falschaussagen von Michael Scharf und die Interessen von Micky Michael Mronz
DOSB-Ehrennadel 2022: Michael Scharf, damals scheidender Fünfkampf-Präsident, Thomas Weikert (SPD/DOSB). (Foto: DFMV)

Michael Scharf ist Leistungssportdirektor im Landessportbund Nordrhein-Westfalen e. V., er war zuvor viele Jahre Leiter des Olympiastützpunkts Rheinland und Präsident des mehr schlecht als recht geführten Deutschen Verbandes für Modernen Fünfkampf (u.a.). Ein typischer Multifunktionär - Berufsfunktionär und Ehrenamtler, ehemals WM-Teilnehmer. Scharf gilt durchaus als scharfer Denker, schaun mer mal. Die Zeitung General-Anzeiger aus Bonn veröffentlichte gedruckt und online (offenbar ausführlicher) ein Interview mit dem Sport-Lobbyisten Scharf, Unterzeile: "Der Funktionär spricht über Chancen für Olympia in NRW, die Medaillenausbeute von Paris und Probleme in Bonn".

Lustig, und das illustriert einmal mehr, was deutschen Olympiaträumern wirklich wichtig ist, wie stolz auch Scharf von Paris erzählt: "IOC-Präsident Thomas Bach ist bei unserem olympischen NRW-Abend im deutschen Haus vorbeigekommen. Das wird uns ganz sicher Rückenwind geben."

Viele Sportpolitiker und Funktionäre hierzulande spüren kein bisschen Wind mehr im Rücken als den Traum von Rückenwind aus Lausanne. Beten und Hoffen darauf, dass der Große Vorsitzende pusten möge.

Der Münchhausen-Test zu einigen Kernaussagen von Michael Scharf aus der gedruckten Variante des Interviews:

1) Zur Olympiabewerbung und Olympia in NRW

Scharf behauptet:

"NRW hat bereits 85 Prozent der erforderlichen Sportstätten. Das Einzige, was fehlt, ist ein Olympiastadion. Aber ich könnte mir vorstellen, dass man für die Leichtathletik mit Berlin kooperieren könnte."

Die Behauptung der "85 Prozent" ist eine Behauptung. Belegt wird sie nicht.

Fakt ist: NRW ist jenes Mustersport-Ländle, das unlängst fast mit der Ausrichtung der Universiade 2025 gescheitert wäre, die doch als Testlauf für Olympia dienen soll. Die Landeshauptstadt Düsseldorf, wo der Ministerpräsident Hendrik Wüst (CDU) unentwegt über Olympia fabuliert, musste als Veranstaltungsort der Universiade aussortiert werden. Schauen Sie mal, mit welchen Venues die Universiade einst von Stefan Klos und Proprojekt (die Leute/Monopolisten mit angeblicher Olympia-Expertise, die teilweise gleichzeitig für das IOC, den DOSB, das BMI und andere tätig waren und sind, aber noch nie mit Olympiabewerbungen erfolgreich waren) angeblich hochprofessionell geplant wurde - und wie die Notvariante jetzt aussieht:

85 Prozent also. Und für das Universiade-Chaos zahlt der Bund im kommenden Jahr nochmal 36 Millionen Euro aus Steuermitteln. Dieselbe Summe soll angeblich NRW zahlen.

Insgesamt wird der Etat der Universiade (angeblich 158 Millionen) mit 118 Millionen aus Steuermitteln von Bund und NRW bezahlt - und zusätzlichen 20 Millionen von den Kommunen. Nur etwa 20 Millionen (wenn überhaupt, warten wir mal ab) bringen die Organisatoren irgendwie selbst auf (ob da über andere Kanäle noch Steuermittel dabei sind, lässt sich derzeit nicht genau sagen).

2) Zur Olympiabewerbung und zur "Reiterei" in Aachen

Scharf behauptet:

"Wir haben in Aachen die Infrastruktur für die Reiterei, ohne dass wir zusätzlich investieren müssten. Dieses Paket findet man sonst nirgendwo."

Fakt ist: Der Bund investiert in die "Reiterei", also die Reit-WM 2026 in Aachen, 6 Millionen Euro aus Steuermitteln. Ich habe das unlängst aufgeschlüsselt. Hier das Dokument:

Quelle: Bundeshaushalt 2025.

Im sogenannten Schwerpunktepapier des BMI heißt es (grammatikalisch falsch):

"Mit den Bundesmittel werden bis zu 20 Maßnahmen gefördert, die für die Ausrichtung der Reit-WM erforderlich sind."

Michael Scharf weiß es entweder nicht oder nicht besser, vielleicht lügt er oder formuliert nur bewusst raffiniert.

Denn er sagt ja "ohne dass wir zusätzlich investieren müssten". Dieses "wir" soll vielleicht NRW heißen, oder Sport - who knows. Scharfens "wir" kann auf keinen Fall "der Bund" heißen oder "die Steuerzahler", sonst hätte er ja gelogen, und das macht er nicht, der LSB-NRW-Michael.


Einschub und Nachtrag, 25. September, 16.15 Uhr, live aus der Sitzung des Sportausschusses im Bundestag, wo der Parlamentarische Staatssekretär Mahmut Özdemir (SPD) gerade auf Anfrage sagt, wofür der Bund diese Millionen für die "Reiterei" zuschießt:

"Es handelt sich hier um den Bau und die Modernisierung von Sportstätten."

Derlei Sportstätten-Investitionen des Bundes sind in der Regel eine Joint-Venture-Finanzierung mit Beteiligung von Kommunen und Ländern. Auf die Schnelle habe ich nicht gefunden, was NRW aus irgendwelchen Sportetats für Mronzens Reit-WM 2026 zuschießt, wer es besser weiß und Etats parat haben sollte: bitte unten in die Kommentare, Danke!

Was aber Brother Google schnell ausspuckt: Dass der Tausendsassa Micky Michael Mronz, seit mehr als einem Vierteljahrhundert Chef des CHIO, vor einem Jahr von Investitionen in Höhe von 50 Millionen Euro u.a. für die Reit-WM sprach:

"Vom Zukunftsfonds Rheinisches Revier haben wir eine Zusage in der Größenordnung von 20 Millionen Euro, weil es um Arbeitsplätze geht."

Auf der Webseite der Zukunftsagentur Rheinisches Revier findet man dazu eine Pressemitteilung zur Investition von 110 Millionen Euro in "wegweisende Sportvorhaben", darunter offenbar "40 Millionen Euro aus Fördermitteln für den Strukturwandel", wie der WDR berichtete: "Zum einen für den Bau einer neuen Reithalle für den Aachen-Laurensberger Rennverein."

Der Aachen-Laurensberger Rennverein wiederum ist mit einem Stammkapital von 297.000€ neben Micky Michael Mronz (ebenfalls 297.000€) und der Niantic Holding GmbH (66.000€) Hauptgesellschafter der Aachener Reitturnier Gesellschaft mbH. Geschäftsführender Gesellschafter der Aachener Reitturnier Gesellschaft mbH ist Micky Mronz.

Gesellschaftervertrag der Aachener Reitturnier Gesellschaft mbH.

Im Impressum der WM-Webseite tauchen der Aachen-Laurensberger Rennverein e.V. und die Aachener Reitturnier GmbH auf. Einen Hinweis auf Bundesmittel und die beträchtliche Förderung des Bundes sucht man auf dieser Webseite vergeblich. Einen Finanzplan und eine Auflistung der öffentlichen Mittel aus anderen Kanälen findet man selbstverständlich auch nicht.

Ober okay, Michael Scharf interpretiert das so, ziemlich frech:

"Wir haben in Aachen die Infrastruktur für die Reiterei, ohne dass wir zusätzlich investieren müssten. Dieses Paket findet man sonst nirgendwo."

... da sind wir schon mitten im nächsten kleinen Check:

3) Micky Michael Mronz und die Olympiabewerbung, vielfältige Interessen und die Sache des Herzens

Scharf sagt:

"Ich glaube, dass eine erfolgreiche Bewerbung möglich ist, und ich freue mich sehr, dass die Landesregierung bei dem Thema auch auf das Gaspedal drückt und wir mit Michael Mronz ein IOC-Mitglied aus NRW haben, für den das Thema Olympia in NRW eine Herzensangelegenheit ist."

Herzensangelegenheit. Natürlich.

Ein ehemaliges FDP-Mitglied, das aus Lausanne Rückwind für die deutsche Bewerbung erzeugen soll, hat mit seinen Verbündeten mal die schöne Begrifflichkeit der vielfältigen Lebenssachverhalte geprägt - ich möchte die Vokabel gern wiederbeleben, nicht wahr, Micky Mronz?

Fakt ist: Micky Michael Mronz und Scharf und andere sollten sich weniger mit Herzensangelegenheiten, als mal mit dem Thema von Interessenkonflikten befassen. Das BMI, der Bund, NRW, der DOSB sollten das schleunigst tun - und der DOSB sollte sein Interessenregister (immerhin gibt es so etwas!) auf Vordermann bringen.

Dort steht für Mronz derzeit nur:

Read more