WADA kastriert die Pressefreiheit
Die Welt-Anti-Doping-Agentur setzt ihren Krieg gegen die freie Presse fort. Für das WADA-Symposium nächste Woche in Lausanne werden (den wenigen) Journalisten strenge Grenzen gesetzt. So sollen u.a. Social-Media-Posts, die den WADA-Heiligen missfallen, mit Entzug der Akkreditierung bestraft werden.

Für die wenigen Journalisten, die im Umfeld der olympischen Familie ernsthaft recherchieren, war es nie leicht: Vielfältige Bedrohungen gibt es seit Jahrzehnten – juristische, physische, materielle –, im Umfeld von FIFA, IOC, World Aquatics, OCA und vielen anderen Organisationen und Verbänden. Bewegungsfreiheit, Kontakte und Arbeitsmöglichkeiten wurden konsequent eingeschränkt. Journalisten wurden ausspioniert, ausgesperrt, verleumdet, verklagt – das volle Programm.
Die Arbeitsbedingungen werden immer schlechter. Dafür sorgen auch Heerscharen von verachtenswerten Spindoktoren und Propagandisten, die von den Sportmonopolisten und Event-Organisatoren für mitunter fürstliche Summen verpflichtet werden. Den allumfassenden Kampf gegen die Pressefreiheit lässt sich die olympische Familie alljährlich Dutzende Millionen Dollar kosten.
Schriftliche Anfragen bleiben unbeantwortet; investigative Reporter werden nach Strich und Faden verarscht, belogen und betrogen; sie werden ausgegrenzt, kontrolliert, reglementiert, bedroht und ausspioniert (das schreibe ich bewusst zum zweiten Mal, denn es ist wichtiger denn je, regelmäßig daran zu erinnern). Die Medienarbeit in vielen internationalen (aber auch nationalen) Sportorganisationen wird von Figuren koordiniert, die auch in Nordkorea, Russland, China oder bei Donald Trump Karriere machen könnten.
So wird, Schritt für Schritt, das zarte Pflänzchen der Demokratie zerstört.
Zum Beispiel die Welt-Anti-Doping-Agentur (WADA): In der nächsten Woche findet in Lausanne das alljährliche Symposium statt. Journalisten wird in einem dubiosen dreiseitigen Papier eine Unterschrift erpresst, ohne die keine Akkreditierung vergeben wird. Wer gegen diese teilweise abstrusen russisch-Trump’schen-nordkoreanischen „Terms and conditions and news access rules“ verstößt, muss damit rechnen:
„Failure to adhere may result in revocation of access to the 2025 Symposium and any future events organized by WADA.“
Die Nichteinhaltung kann zum Entzug der Zugangsberechtigung zum Symposium 2025 und zu allen zukünftigen von der WADA organisierten Veranstaltungen führen.
Die Definition eines „Verstoßes“ und der „Nichteinhaltung“ irgendwelcher der Pressefreiheit widersprechenden Regeln obliegt natürlich allein der WADA. Versteht sich von selbst.
Journalisten müssen damit rechnen, wegen missliebiger Social-Media-Posts verbannt zu werden.
„Journalists should avoid making inappropriate or defamatory comments about the event, speakers, or other attendees.“
Klartext: Es geht einzig und allein darum, dass die WADA-Heiligen bestimmen, was „unangemessen“ oder „verleumderisch“ ist.
Es geht um nichts anderes, als die Wahrheitsfindung, Journalismus und öffentliche Debatten zu verhindern.
Die Verantwortlichen der WADA unterscheiden sich insofern kein bisschen von Despoten wie Wladimir Putin, Donald Trump, Xi Jinping oder Kim Jong-Un.
Schauen Sie sich das an:



Eine gigantische Mehrheit von Medienvertretern aus dem sogenannten Sportjournalismus (gewiss mehr als 99 Prozent) betreffen derlei Restriktionen nicht wirklich. Denn die Mehrheit interessiert sich nicht für Recherchen und komplizierte Hintergründe. Auch finden WADA (wie IOC, FIFA, DOSB und tausend andere Verbände und Institutionen, name it …) stets problemlos irgendwelche sogenannten Journalisten, die sich mit sogenannten Hintergrundinformationen aufmunitionieren lassen und die Propaganda der Sportorganisationen willfährig verbreiten.
Es geht der WADA, wie allen anderen Sportmultis auch, vor allem um den winzig kleinen Teil derjenigen Journalisten, die wirklich recherchieren. Erzfeinde der WADA sind aktuell ein paar Journalisten der New York Times und der deutschen Firma EyeOpening.Media, also Hajo Seppelt, Tariq Panja und einige andere.
So ist es ja immer: Es geht stets nur um wenige Journalisten, die ihren Job machen und die deshalb mit allen Mitteln bekämpft werden müssen, koste es, was es wolle. Mit jeder kleinen Attacke, mit jeder neuen Einschränkung, mit jeder Finte und Lüge, mit jeder neuen Restriktion, mit jedem kruden Regelwerk, mit jedem Unsinn bleibt nicht weniger auf der Strecke als - ein Stück Pressefreiheit.
Vergessen sie das nicht, liebe Leser im IOC, in internationalen und nationalen Sportorganisationen und in der Politik. Das ist der Kern der Sache: Mit jeder neuen verabscheuungswürdigen Attacke auf die Pressefreiheit stirbt ein Stück Demokratie.
Im IOC, der FIFA und anderen Sportkonzernen rechnet man schon gar nicht mehr mit irgendeiner Einsicht. Die WADA allerdings wird hälftig von Staaten finanziert, also auch von vielen Demokratien. Sollte es noch Demokraten geben im Umfeld der WADA, müsste man deren Stimmen eigentlich hören, man müsste Proteste hören bei jedem kleinen undemokratischen Schritt wie diesem, der konsequenten Einschränkung der Presse- und Meinungsfreiheit.
Man hört aber?
Nichts.
Naming und shaming - die Verantwortlichen für die Kastration der Presse- und Meinungsfreiheit im Reich der WADA:
- Präsident Witold Bańka
- Vizepräsidentin Yang Yang
- Generaldirektor Olivier Niggli
- General Counsel Ross Wenzel
- Direktor (Intelligence and Investigations) Günter Younger
- Direktorin (Communications) Catherine MacLean
- Head of Media Relations James Fitzgerald
- ... und viele andere mehr.
Sie sind Totengräber der Demokratie.
Ich schrieb eingangs von "vielfältigen Bedrohungen", denen sich investigative Journalisten in der olympischen Familie ausgesetzt sehen. Langjährige Leser wissen, dass ich derlei Bedrohungen und Restriktionen immer wieder thematisiert habe, denn ich habe das alles selbst erlebt. Das war mitunter komisch, etwa als mich eine Ethikkommission der FIFA in Abwesenheit zur persona non grata erklärt hatte, mitunter gefährlich, oft existenzbedrohend. Ich verzichte heute darauf, Beispiele zu nennen und ihnen Links mit auf den Weg zu geben. Der Fokus liegt auf der neuerlichen Attacke der WADA auf die Pressefreiheit. Es geht ums Prinzip: Die Kollegen, die hier von der WADA reglementiert und an der Arbeit behindert werden, haben ihre Erfahrungen gemacht und können ein Lied davon singen. Und ja, ich wiederhole mich: Es ist wichtiger denn je, derlei Restriktionen und Bedrohungen und Arbeitsumstände und das schändliche Verhalten sehr vieler Sportverbände, Organisatoren und Institutionen (national und international) oder auch Verstöße gegen Informationsfreiheitsgesetze detailliert zu beschreiben. Diese Umstände gehören zwingend mit beschrieben – bei jeder größeren Recherche.